1995 wird bei der 4. UN- Weltfrauenkonferenz in Peking der Begriff Gender-Mainstreaming durchgesetzt und zum Leitprinzip der UN erkoren (Mainstream bezeichnet hier die Strategie, die Gender-Perspektive in den ‚Hauptstrom’ der Politik zu bringen und da umfassend zu implementieren).
Seit den Amsterdamer Verträgen von 1997/1999 ist Gender-Mainstreaming das erklärte Ziel der Europäischen Union.
1998 definiert der Europarat: „Gender- Mainstream besteht in der (Re)Organisation, Verbesserung, Entwicklung und Evaluierung politischer Prozesse mit dem Ziel, eine Geschlechter bezogene Sichtweise in alle politischen Konzepte auf allen Ebenen und in allen Phasen durch alle an politischen Entscheidungen beteiligten Akteure und Akteurinnen einzubeziehen“ http:///www.uni-due.de/genderportal/ Seit Jahren wird mit Steuergeldern z.B. die Bundesstiftung Magnus Hirschfeld gefördert.
Gabriele Kuby:
Männer und Frauen gibt es gar nicht. Das Geschlecht ist eine Phantasie etwas, das wir nur deswegen glauben, weil es uns so oft gesagt wird. Gender ist nicht an das biologische Geschlecht gebunden, dieses spielt überhaupt keine Rolle, es entsteht nur, weil es durch die Sprache erzeugt wird und die Menschen glauben, was sie ständig hören. Identität ist im Blick Judith Butlers freischwebend und flexibel, es gibt kein männliches oder weibliches Wesen, sondern nur eine bestimmte Performance, also ein Verhalten, das sich jederzeit ändern kann“ (Gabriele Kuby, Die globale sexuelle Revolution. Zerstörung der Freiheit im Namen der Freiheit.fe-medienverlag, Kißlegg 2012. S.82)
Wie kann man am besten die Geschlechter-Kategorie stören, die die Geschlechter-Hierarchie und die Zwangsheterosexualität stützen? Die Aufgabe der vorliegenden Untersuchung ist (…), den Phallogozentrismus und die Zwangsheterosexualität zu (…) de zentrieren (…) und die starren, hierarchischen sexuellen Codes wirksam zu de-regulieren“ (J. Butler, Das Unbehagen der Geschlechter. S. 8-11. Zit. nach Kuby, Die globale sexuelle Revolution. S.81f)
Gender Trouble – Feminism and the Subversion of Identity 1990 der in Berkeley lehrenden Professorin Judith Butler (Jahrgang 1954). Butler bestreitet, dass es einen ‚natürlichen’ Körper gebe und vor allem, dass dieser die Bahn festlege, auf der die Geschlechtsidentität sich entfalte. Judith Butler ist 2012 der mit 50.000 € dotierte THEODOR W. ADORNO-PREIS DER STADT FRANKFURT/M verliehen worden…(1991 im Suhrkamp-Verlag: Das Unbehagen der Geschlechter)
Mann und Frau, Ehe und Familie, Vater und Mutter, Sexualität und Fruchtbarkeit haben keinen Anspruch auf Natürlichkeit, vielmehr begründen sie die Hegemonie des Mannes über die Frau und der Heterosexualität über alle anderen Formen der Sexualität. Dies muss an der Wurzel zerstört werden. (G. Kuby, Die globale sexuelle Revolution. S.85)
G. Falkowitz
Die Faktizität des Körpers gilt als leer, als Tabula rasa je meines Entwurfes (…) Der Mensch als seine eigene Software mit der entsprechenden Verpflichtung zur (Dauer-)Transformation – dies kennzeichnet eine Zerstörung, zumindest die Vernachlässigung eines umfassenden Leibbegriffs. Das Gegenteil dessen, was Johannes Paul II. so tief in seiner Theologie des Leibes veranschaulicht hatte.
Robert Spaemann:
"Emanzipieren sollen wir uns erklärtermaßen von unserer Natur“ "Seit Jahren ist in unserem Land und europaweit eine wachsende Diskussionsverweigerung im Namen der ‚politischen Korrektheit’ zu beobachten. Dem vom Mainstream Abweichenden wird nicht mit Argumenten erklärt, inwiefern er irrt, sondern es wird ihm gesagt: ‚Das hättest du nicht sagen dürfen’. (…) Was dahinter steht, ist der sich ausbreitende Wahrheitsrelativismus. Wahrheit beanspruchen gilt als Intoleranz. Dabei ist das Gegenteil richtig. Wahrheitsansprüche erheben heißt, eine Meinung der diskursiven Prüfung aussetzen. Wenn es Wahrheit nicht gibt, dann kann es eine solche Prüfung gar nicht geben, dann sind Diskurse nur verschleierte Machtkämpfe, eine Meinung ist dann nicht wahr oder falsch, sondern herrschend oder abweichend und im letzteren Fall der Ächtung ausgesetzt.“ (Geleitwort zu G. Kuby, Die globale sexuelle Revolution. S.14)
Benedikt XVI.:
Neue Philosophie der Geschlechtlichkeit. Das Geschlecht ist nach dieser Philosophie nicht mehr eine Vorgabe der Natur, die der Mensch annehmen und persönlich mit Sinn erfüllen muß, sondern es ist eine soziale Rolle, über die man selbst entscheidet, während bisher die Gesellschaft darüber entschieden habe. Die tiefe Unwahrheit dieser Theorie und der in ihr liegenden anthropologischen Revolution ist offenkundig. Der Mensch bestreitet, daß er eine von seiner Leibhaftigkeit vorgegebene Natur hat, die für das Wesen Mensch kennzeichnend ist. Er leugnet seine Natur und entscheidet, daß sie ihm nicht vorgegeben ist, sondern daß er selber sie macht. Nach dem biblischen Schöpfungsbericht gehört es zum Wesen des Geschöpfes Mensch, daß er von Gott als Mann und als Frau geschaffen ist. Diese Dualität ist wesentlich für das Menschsein, wie Gott es ihm gegeben hat. Gerade diese Dualität als Vorgegebenheit wird bestritten. Es gilt nicht mehr, was im Schöpfungsbericht steht: „Als Mann und Frau schuf ER sie“ (Gen 1, 27). Nein, nun gilt, nicht ER schuf sie als Mann und Frau; die Gesellschaft hat es bisher getan, und nun entscheiden wir selbst darüber. Mann und Frau als Schöpfungswirklichkeiten, als Natur des Menschen gibt es nicht mehr. Der Mensch bestreitet seine Natur. Er ist nur noch Geist und Wille. Die Manipulation der Natur, die wir heute für unsere Umwelt beklagen, wird hier zum Grundentscheid des Menschen im Umgang mit sich selber. Es gibt nur noch den abstrakten Menschen, der sich dann so etwas wie seine Natur selber wählt. Mann und Frau sind in ihrem Schöpfungsanspruch als einander ergänzende Gestalten des Menschseins bestritten. Wenn es aber die von der Schöpfung kommende Dualität von Mann und Frau nicht gibt, dann gibt es auch Familie als von der Schöpfung vorgegebene Wirklichkeit nicht mehr. Dann hat aber auch das Kind seinen bisherigen Ort und seine ihm eigene Würde verloren. Bernheim[der Großrabbiner von Frankreich Gilles Bernheim, den der Papst zuvor schon zitiert hatte] zeigt, daß es nun notwendig aus einem eigenen Rechtssubjekt zu einem Objekt wird, auf das man ein Recht hat und das man sich als sein Recht beschaffen kann. Wo die Freiheit des Machens zur Freiheit des Sich-selbst-Machens wird, wird notwendigerweise der Schöpfer selbst geleugnet und damit am Ende auch der Mensch als göttliche Schöpfung, als Ebenbild Gottes im Eigentlichen seines Seins entwürdigt. Im Kampf um die Familie geht es um den Menschen selbst. Und es wird sichtbar, daß dort, wo Gott geleugnet wird, auch die Würde des Menschen sich auflöst. Wer Gott verteidigt, verteidigt den Menschen. (Ansprache Benedikt XVI. beim Weihnachtsempfang für das Kardinalskollegium, die Mitglieder der Römischen Kurie und der Päpstlichen Familie21. Dezember 2012)
Uwe Sielert:
Sexualpädagoge Uwe Sielert von der Universität Kiel hat bereits vor Jahren im Informationsdienst der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung dafür plädiert, „Heterosexualität, Generativität und Kernfamilie zu "entnaturalisieren’“ . (Bei Christian Weber, Was Sie noch nie über Sex wissen wollten. In SZ vom 24.04.2014) In einer Handreichung für Lehrkräfte der GEW -Lesbische und schwule Lebensweisen– ein Thema für die Schule in Baden-Württemberg werden in einem Fragebogen Siebtklässler mit Fragen konfrontiert:- Woher glaubst du, kommt deine Heterosexualität?- Wann und warum hast Du dich entschlossen, heterosexuell zu sein?- Ist es möglich, dass deine Heterosexualität nur eine Phase ist und dass du diese Phase überwinden wirst?- Ist es möglich, dass deine Heterosexualität von einer neurotischen Angst vor Menschen gleichen Geschlechts kommt?- Es scheint sehr wenige glückliche Heterosexuelle zu geben; aber es wurden Verfahren entwickelt, die es dir möglich machen könnten, dich zu ändern, falls du es wirklich willst. Hast du schon einmal in Betracht gezogen, eine Elektroschock-Therapie zu machen? (Zit. Nach Matthias Matussek, Homosexualität ist ein Fehler der Natur. In: The European, 20.02.2014) Inzwischen soll die GEW diese Handreichung zurückgenommen haben…
Die "TOP DOWN" Gender-Ideologie toleriert keine Argumente, die ihre Positionen in Frage stellen. intoleranceagainstchristians.eu Es geht ganz grundlegend um eine vollkommen neue Auffassung von menschlicher Identität. Genderismus ist zutiefst eine Auflehnung gegenüber der Natur, nicht bereit, objektive Vorgaben anzuerkennen, sich als Geschöpf anzuerkennen. Die naturwissenschaftlichen Erkenntnisse belegen klar und unanfechtbar, dass der Mensch eindeutig als männlich oder weiblich geprägt, existiert (sogar jede menschliche Körperzelle ist entweder männlich oder weiblich) und dass die beiden Geschlechter aufeinander hingeordnet sind (sowohl sexuell wie auch psychologisch) Indem der Genderismus die Heterosexualität partout abwertet und die Dualität der Geschlechter (weiblich – männlich), die aufeinander bezogen sind, ablehnt akzentuiert er eine egozentrische Grundausrichtung. Der Einzelne sucht im Grunde nur noch sich selbst sowie die eigene Befriedigung - selbst im Sexualakt handelt er letztlich autoerotisch: der andere ist nur Auslöser von Lust, nicht Ziel einer liebenden Hingabe.
Trotz unserer tiefen Sehnsucht nach Liebe halten wir doch fast alles andere für wichtiger als diese: Erfolg, Prestige, Geld und Macht. Unsere gesamte Energie verwenden wir darauf zu lernen, wie wir diese Zeile erreichen, und wir bemühen uns so gut wie überhaupt nicht darum, die Kunst des Liebens zu lernen.(16) Jede Theorie der Liebe muss mit der Theorie des Menschen, der menschlichen Existenz beginnen. Das Wesentliche an der Existenz des Menschen ist ja, dass er sich über das Tierreich und seine instinktive Anpassung erhoben hat, dass er die Natur transzendiert hat, wenn er sie auch nie ganz verlässt. Der Mensch kann nur vorwärts schreiten, indem er seine Vernunft entwickelt, indem er eine neue, eine menschliche Harmonie findet anstelle der vormenschlichen Harmonie, die unwiederbringlich verloren ist.(17) Der Mensch ist mit Vernunft ausgestattet, er ist Leben dass sich seiner selbst bewusst ist...das Gewahr werden dessen, dass er eine kurze Lebensspanne vor sich hat, dass er ohne seinen Willen geboren wurde und gegen seinen Willen sterben wird... all das macht seine abgesonderte, einsame Existenz zu einem unerträglichen Gefängnis. Die Erfahrung dieses Abgetrenntseins erregt Angst, ja sie ist tatsächlich die Quelle aller Angst...ohne jede Möglichkeit, die eigenen Kräfte zu nutzen. Daher heißt Abgetrennt sein hilflos sein, unfähig sein, die Welt - Dinge wie Menschen - mit eigenen Kräften zu erfassen; Darüber hinaus erregt es Scham und Schuldgefühle. Nachdem Adam und Eva vom "Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen" gegessen haben, nachdem sie ungehorsam waren (Gut und Böse gibt es nur wenn die Freiheit zum Ungehorsam besteht) nachdem sie dadurch menschlich wurden, dass sie sich von der ursprünglichen animalischen Harmonie mit der Natur emanzipierten,(18) also nach ihrer Geburt als menschliche Wesen, erkannten sie "dass sie nackt waren" (Gen.3,6) uns schämten sich. Nachdem Mann und Frau sich ihrer selbst und ihres Partners bewusst geworden sind, sind sie sich auch ihrer Getrenntheit und Unterschiedlichkeit bewusst, insofern sie verschiedenen Geschlechts sind. Das Bewusstsein der menschlichen Getrenntheit ohne die Wiedervereinigung durch die Liebe ist Quelle der Scham. Und es ist gleichzeitig die Quelle von Schuldgefühl und Angst. Das tiefste Bedürfnis des Menschen ist demnach seine Abgetrenntheit zu überwinden und aus dem Gefängnis seiner Einsamkeit herauszukommen... wie er sein einzelnes eigenes Leben transzendieren und das Eins werden erreichen kann.(19) Sie versuchen zwar ihrem Abgetrennt sein dadurch zu entrinnen, dass sie ihre Zuflucht zu Alkohol und Rauschgift nehmen, fühlen sich aber nur um so stärker isoliert und immer häufiger und intensiver dazu getrieben. Etwas anderes ist es wenn jemand seine Zuflucht zum sexuellen Orgasmus nimmt...übernimmt das Verlangen nach dem sexuellen Orgasmus eine Funktion, die sich nicht allzu sehr vom Alkoholismus und der Drogenabhängigkeit unterscheidet...und führt zu einem ständig wachsenden Gefühl des Abgetrenntseins, da der ohne Liebe vollzogene Sexualakt höchstens für den Augenblick die Kluft zwischen zwei menschlichen Wesen überbrücken kann.(22) Auch in der heutigen Gesellschaft des Westens ist die Gemeinschaft mit der Gruppe der am häufigsten eingeschlagene Weg, die Abgetrenntheit zu überwinden. Es ist eine Vereinigung, in der das individuelle Selbst weitgehend aufgeht und bei der man sich zum Ziel setzt, der Herde anzugehören. Wenn ich so bin wie alle anderen, wenn ich keine Gefühle oder Gedanken habe, die mich von ihnen unterscheiden, wenn ich mich der Gruppe in meinen Gewohnheiten, meiner Kleidung, meiner Ideen anpasse, dann bin ich gerettet - gerettet vor der angsterregenden Erfahrung des Alleinseins. Diktatorische Systeme wenden Drohungen und Terror an, um diese Konformität zu erreichen, die demokratischen Staaten bedienen sich zu diesem Zweck der Suggestion und der Propaganda.(23) Die wachsende Neigung zum Ausmerzen von Unterschieden hängt eng zusammen mit dem Begriff der Gleichheit. Gleichheit im religiösen Sinne bedeutete, dass wir alle Gottes Kinder sind...Wir sind zwar alle eins, aber jeder von uns ist zugleich ein einzigartiges Wesen, ein Kosmos für sich. In der gegenwärtigen kapitalistischen Gesellschaft hat sich die Bedeutung des Begriffs Gleichheit geändert. Gleichheit bedeutet heute "Dasselbe -Sein und nicht mehr Eins-Sein" Man erkauft sich die Gleichheit eben zu dem Preis das die Frauen (24/25) gleichgestellt werden, weil sie sich nicht mehr von den Männern unterscheiden. Die These der Aufklärungsphilosophie "l`ame ne pas de sexe" (die Seele hat kein Geschlecht) gilt heute ganz allgemein. Die Polarität der Geschlechter ist im Verschwinden begriffen, und damit verschwindet auch die erotische Liebe, die auf dieser Polarität beruht. Männer und Frauen werden sich gleich und sind nicht mehr gleichberechtigt als entgegengesetzte Pole. Die heutige Gesellschaft predigt das Ideal einer nicht-individualisierten Gleichheit, weil sie menschliche Atome braucht, die sich untereinander völlig gleichen, damit sie im Massenbetrieb glatt und reibungslos funktionieren, damit alle den gleichen Anweisungen folgen und jeder trotzdem überzeugt ist, das zu tun was er will. Genauso wie die moderne Massenproduktion die Standardisierung der Erzeugnisse verlangt, so verlangt auch der gesellschaftliche Prozess die Standardisierung des Menschen, und diese Standardisierung nennt man dann "Gleichheit". Vereinigung durch Konformität...Man hat fröhlich, tolerant, zuverlässig und ehrgeizig zu sein und mit jedem reibungslos auszukommen.(26/27) Der Wunsch nach einer zwischenmenschlichen Vereinigung ist das stärkste Streben im Menschen. Ohne Liebe könnte die Menschheit nicht einen Tag existieren.(28) Wir müssen uns darüber klar werden, welche Art von Einheit wir meinen, wenn wir von Liebe sprechen. Beziehen wir uns auf jene Liebe, die ein reifer Mensch als Antwort auf das Existenzproblem gibt, oder sprechen wir von jenen unreifen Formen der Liebe die man als symbiotische Vereinigung bezeichnen kann? Die passive Form der symbiotischen Vereinigung ist die Unterwerfung oder der Masochismus. (29) Liebe ist eine Aktivität und keine passiver Affekt. Sie ist etwas, das man in sich selbst entwickelt, nicht etwas dem man verfällt... sie ist in erster Linie ein Geben und nicht ein Empfangen. Ich erlebe mich selbst als überströmend, hergebend, lebendig und voll Freude.(33) "Wie sollten Blimen und Bäume blühen ohne die Erde? Was würde ohne sie Wasser und Wärme des Himmels erzeugen? So wie Gott in Mann und Frau das Verlangen eingepflanzt hat, auf dass die Welt erhalten bliebe durch ihre Vereinigung, so hat er auch jedem Teil der Welt das Verlangen nach einem anderen Teil dieser Welt eingepflanzt."(S.46-R.A. Nicholson 1950 S122f.) Kein objektiver Beobachter unseres westlichen Lebens kann bezweifeln, dass die Liebe - die Nächstenliebe, die Mutterliebe und die erotische Liebe- bei uns eine relativ seltene Erscheinung sind und dass einige Formen der Pseudoliebe an ihre Stelle getreten sind, bei denen es sich in Wirklichkeit um ebenso viele Formen des Verfalls der Liebe handelt. (95) Das Kapital dirigiert die Arbeitskraft; angesammelte tote Dinge besitzen einen höheren Wert als das Lebendige, die menschliche Arbeitskraft und Energie.(96) Der moderne Mensch ist in sich selbst, seinen Mitmenschen und der Natur entfremdet.(97) Die Welt ist nur noch da zur Befriedigung unseres Appetits, sie ist ein riesiger Apfel, eine riesige Flasche, eine riesige Brust, und wir sind die Säuglinge, die ewig auf etwas warten, ewig auf etwas hoffen und ewig enttäuscht werden. Automaten können nicht lieben, sie tauschen ihre persönlichen Vorzüge aus und hoffen auf ein faires Geschäft. In zahllosen Artikeln über die glückliche Ehe wird deren Idealform als ein reibungslos funktionierendes Team beschrieben. Beziehungen dieser Art laufen alle auf die gut geölte Beziehung zwischen zwei Menschen hinaus, die sich ihr ganzes Leben lang fremd bleiben, die nie zu einer Beziehung von Personmitte zu Personmitte gelangen, sondern sich lediglich höflich behandeln und versuchen es dem anderen etwas leichter zu machen. Bei dieser Auffassung von Liebe und Ehe kommt es in erster Linie darauf an, eine Zuflucht vor dem sonst unerträglichen Gefühl des Alleinseins zu finden.(S.99/100) Nach Freud würde die volle ungehemmte Befriedigung aller triebhaften Wünsche seelische Gesundheit und Glück verbürgen. Aber die klinischen Fakten zeigen unverkennbar, dass Männer- und Frauen-, die ihr Leben der hemmungslosen sexuellen Befriedigung widmen, nicht glücklich sind und häufig unter schweren neurotischen Konflikten oder Symptomen leiden.(104) Die Liebe als gegenseitige sexuelle Befriedigung und die Liebe als "Teamwork" und als schützender Hafen vor der Einsamkeit sind die beiden normalen Formen des Verfalls der Liebe in der modernen westlichen Gesellschaft. Sie stellen die gesellschaftlich bedingte Pathologie der Liebe dar.(106) „Liebe ist nur möglich, wenn sich zwei Menschen aus der Mitte ihrer Existenz miteinander verbinden, wenn also jeder sich selbst aus der Mitte seiner Existenz heraus erlebt. Nur dieses "Leben aus der Mitte" ist menschliche Wirklichkeit, nur hier ist Lebendigkeit, nur hier ist die Basis für Liebe. Die so erfahrene Liebe ist eine ständige Herausforderung; sie ist kein Ruheplatz, sondern bedeutet sich zu bewegen, zu wachsen, zusammenzuarbeiten. Ob Harmonie waltet oder ob es Konflikte gibt, ob Freude oder Traurigkeit herrscht ist nur von sekundärer Bedeutung gegenüber der grundlegenden Tatsache, dass zwei Menschen sich vom Wesen ihres Seins her erleben, dass sie miteinander eins sind, indem sie mit sich selbst eins sind, anstatt vor sich selber auf der Flucht zu sein. Für die Liebe gibt es nur einen Beweis: die Tiefe der Beziehung und die Lebendigkeit und Stärke in jedem der Liebenden. Das allein ist die Frucht, an der die Liebe zu erkennen ist. Ebenso wenig wie Automaten einander lieben können, können sie Gott lieben. Der Verfall der Gottesliebe hat die gleichen Ausmaße angenommen wie die Menschenliebe. Von Gewissen Ausnahmen abgesehen, erleben wir einen Rückfall in eine götzendienerische Gottesvorstellung und die Umwandlung der Liebe zu Gott in eine Beziehung, die zu unserer entfremdeten Charakterstruktur passt. Die Menschen haben Angst, sie besitzen weder Grundsätze noch Glauben und finden sich ohne Ziel außer dem einen, immer weiter voranzukommen.(115/116) Die Praxis der Kunst des Liebens erfordert die Praxis des Glaubens. Was ist Glauben? Unter einem irrationalen Glauben verstehe ich einen Glauben (an eine Person oder Idee), bei dem man sich einer irrationalen Autorität unterwirft. Im Gegensatz dazu handelt es sich beim rationalen Glauben um eine Überzeugung, die im eigenen Denken oder Fühlen wurzelt. Glaube meint jene Qualität von Gewissheit und Unerschütterlichkeit, die unseren Überzeugungen eigen ist. Glaube ist Überzeugung, der die Gesamtpersönlichkeit beherrscht, und nicht ein Glaube an etwas ganz Bestimmtes. (133) Der rationale Glaube ist eine wichtige Komponente des rationalen Denkens, in dem er angeblich keinen Platz hat. (134) In der Sphäre der menschlichen Beziehungen ist Glaube ein unentbehrlicher Bestandteil jeder echten Freundschaft oder Liebe. "An einen anderen glauben" heißt soviel, wie sich sicher sein, dass der andere in seiner Grundhaltung, im Kern seiner Persönlichkeit, in seiner Liebe zuverlässig und unwandelbar ist. So sollte zum Beispiel seine Achtung vor dem Leben und der Würde des Menschen ein Bestandteil seiner selbst und keiner Veränderung unterworfen sein. Im gleichen Sinn glauben wir auch an uns selbst. Wir sind uns der Existenz eines Selbst, eines Kerns unserer Persönlichkeit bewusst, der unveränderlich ist und unser ganzes Leben lang fortbesteht, wenn sich auch die äußeren Umstände ändern mögen und wenn auch in unseren Meinungen und Gefühlen Änderungen eintreten. Der Kern ist die Realität hinter dem Wort "Ich", auf der unsere Überzeugung von unserer Identität beruht. Wenn wir nicht an die Beständigkeit unseres Selbst glauben, gerät unser Identitätsgefühl in Gefahr, und wir werden von anderen Menschen abhängig, deren Zustimmung dann zur Grundlage unseres Identitätsgefühls wird. (135) Der Glaube an uns selbst ist eine Voraussetzung dafür, dass wir etwas versprechen können, und da der Mensch - wie F. Nietzsche (1910, S.341) sagt - durch seine Fähigkeit, etwas versprechen zu können, definiert werden kann, ist der Glaube eine Voraussetzung der menschlichen Existenz. Worauf es in Liebesbeziehungen ankommt, ist der Glaube an die eigene Liebe, der Glaube an die Fähigkeit der eigenen Liebe, bei anderen Liebe hervorzurufen, und er Glaube an ihre Verlässlichkeit. Ein weiterer Aspekt des Glaubens an einen anderen Mensch bezieht sich darauf, dass wir an dessen Möglichkeiten glauben. Ob dieser Glaube vorhanden ist, macht den Unterschied zwischen Erziehung und Manipulation. Erziehen bedeutet, dem Kind zu helfen seine Möglichkeiten zu realisieren. (136) Das Gegenteil von Erziehung ist Manipulation, bei welcher der Erwachsene nicht an die Entwicklungsmöglichkeiten des Kindes glaubt...An einen Roboter braucht man nicht zu glauben, weil in ihm kein Leben ist, das sich entfalten könnte. Der Höhepunkt des Glaubens an andere wird im Glauben an die Menschheit erreicht. In der westlichen Welt kam dieser Glauben an die jüdisch-christliche Religion zum Ausdruck,(137) Aus dem Glauben heraus leben heißt produktiv leben. Hieraus folgt dass der Glaube an die Macht (im Sinne von Herrschaft) und an die Ausübung von Macht das Gegenteil des Glaubens ist. Da Glaube und Macht sich gegenseitig ausschließen, werden alle Religionen und alle politischen Systeme, die ursprünglich auf einen realen Glauben gründeten, schließlich korrupt und verlieren ihre Stärke, wenn sie sich auf ihre Macht verlassen oder sich mit der Macht verbünden. Glauben erfordert Mut. Damit ist die Fähigkeit gemeint, ein Risiko einzugehen, und auch die Bereitschaft, Schmerz und Enttäuschung hinzunehmen. Wer Gefahrlosigkeit und Sicherheit als das Wichtigste im Leben ansieht, kann keinen Glauben haben. (138) Der Mut der Verzweiflung ist das genaue Gegenteil des Muts der Liebe, genauso wie der Glaube an die Macht das Gegenteil des Glaubens an das Leben ist. (139)..darauf zu achten wo und wann man den Glauben verliert, die Rationalisierungen zu durchschauen, deren man sich bedient, um diesen Glaubensverlust zu verdecken, zu erkennen, wo man sich feige verhält und welche Rationalisierung man hierbei anwendet, zu merken wie jeder Verrat am Glauben uns schwächt und wie jede neue Schwächung zu einem neuen Verrat führt und dass dies ein Teufelskreis ist. Lieben heißt, dass wir uns dem anderen ohne Garantie ausliefern, dass wir uns der geliebten Person ganz hingeben in der Hoffnung, dass unsere Liebe auch in ihr Liebe erwecken wird. Liebe ist ein Akt des Glaubens, und wer nur wenig Glauben hat, der hat auch nur wenig Liebe.(140) Und tatsächlich gehört es ja zu den wichtigsten Vorbedingungen für die Liebe, dass man sich weder gelangweilt fühlt noch den anderen langweilt. Die Fähigkeit zu lieben erfordert einen Zustand intensiver Wachheit und gesteigerter Vitalität...(141) Es gibt keine Arbeitsteilung zwischen der Liebe zu den eigenen Angehörigen und der Liebe zu Fremden. Ganz im Gegenteil ist die letztere die Vorbedingung für die erstere. "Seinen Nächsten lieben" heißt (142) sich für ihn verantwortlich und sich eins mit ihm zu fühlen, während die Fairness-ethik das Ziel verfolgt, sich nicht verantwortlich für ihn und eins mit ihm zu fühlen, sondern von ihm getrennt und distanziert zu sein; sie bedeutet, dass man zwar die Rechte seines Nächsten respektiert, nicht aber dass man ihn liebt. (143) Unvereinbar miteinander sind das der kapitalistischen Gesellschaftsordnung zugrundeliegende Prinzip und das Prinzip der Liebe. Menschen, die in unserem gegenwärtigen System zur Liebe fähig sind, bilden in jedem Fall die Ausnahme. Wem also de Liebe als einzige vernünftige Lösung des Problems der menschlichen Existenz am Herzen liegt, der muss zum Schluss kommen, dass in unserer Gesellschaft wichtige und radikale Veränderungen vorgenommen werden müssen, wenn die Liebe zu einem gesellschaftlichen Phänomen werden und nicht eine höchst individuelle Randerscheinung bleiben soll. ...die Menschen werden durch Massensuggestion motiviert; ihr Ziel ist es immer mehr zu produzieren und zu konsumieren, und zwar als Selbstzweck. Sämtliche Aktivitäten werden diesen wirtschaftlichen Zielen untergeordnet; die Mittel sind zum Zweck geworden; der Mensch ist ein gut ernährter, gut gekleideter Automat, den es überhaupt nicht mehr interessiert, welche menschlichen Qualitäten und Aufgaben ihm eignen. Wenn der Mensch zur Liebe fähig sein soll, muss der Mensch selbst an erster Stelle stehen. Der Wirtschaftsapparat muss ihm dienen, und nicht er ihm. Wenn...die Liebe die einzig vernünftige und befriedigende Lösung des Problems der menschlichen Existenz darstellt, dann muss jede Gesellschaft, welche die Entwicklung der Liebe so gut wie unmöglich macht, auf die Dauer an ihrem Widerspruch zu den grundlegenden Bedürfnissen der menschlichen Natur zugrunde gehen.(145) Erich Fromm: Die Kunst des Liebens 1972